Zahlteller: Da war doch was?

von Taher
Zahlteller, in welcher Form auch immer, gibt es auf der ganzen Welt

Meine Kollegin Jasmin Taher, über Dinge, die wir erst wahrnehmen, wenn sie am Verschwinden sind. Zum Beispiel Zahlteller.

Es gibt Dinge im Leben, die nehmen wir zu wenig wahr.

Und die verschwinden auch ganz plötzlich. Erst wenn sie nicht mehr da sind, erst wenn sie zufällig wieder auftauchen, nehmen wir sie wahr. Ein Beispiel sind Zahlteller. Das waren diese Tellerchen, beispielsweise schön verziert aus Zinn, die im Tante Emma Laden auf der Theke standen. Oder im Kiosk sind es diese Kunststoffablagen (meist mit Zigarettenwerbung) auf die man die Dinge legt, die man bezahlen möchte, weil es sonst in der Auslage keinen freien Platz hat.

Zahlteller gibt es überall auf der Welt

Vor einigen Jahren war ich beruflich in Iran (das ist grammatikalisch korrekt, es heisst nämlich «Iran»und nicht «der Iran») unterwegs. Nach einiger Zeit hatte ich mich einigermassen ans Kopftuch gewöhnt (mein grösstes Problem war, dass ich in Meetings nicht hören konnte, was die anderen sagen).

Weil iranischer Basmati-Reis unschlagbar lecker ist und ich noch Platz im Gepäck hatte, beschloss ich, am Tag vor der Abreise einen 5-Kilo-Sack davon zu kaufen. An der Kasse angekommen, legte ich meinen Reis aufs Band, der nette, bärtige Herr an der Kasse tippte den Preis ein und ich versuchte zu bezahlen. Immer wieder streckte ich ihm das Geld hin, aber er wollte es nicht haben. Ich schaute nochmal nach, ob ich die richtigen Scheine genommen hatte. Hatte ich. Ich hielt ihm meine Scheine unter die Nase, aber er wollte sie einfach nicht aus meiner Hand nehmen. Unser Fahrer (im echten Leben Flugzeugpilot) wies mich darauf hin, dass ich das Geld doch auf den Zahlteller legen sollte. Ich legte meine Scheine hin und schwuppdiwupp, nahm sie der Kassier, ordnete sie in seiner Kasse ein und legte mir mein Wechselgeld zurück auf den Zahlteller.

Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen dieser Zahlteller bewusst wahrnahm.

Zahlteller gibt es am ehesten noch in alte Läden.

Der Tante Emma Laden im Dorf

Morgens halb 7 beim Beck

Während meines Studiums habe ich samstags und in den Ferien in einer Bäckerei gearbeitet. Morgens um 6 begann mein Dienst, um halb 7 öffneten wir die Türen und die ersten hungrigen Kunden kamen herein: «Ein Gipfeli, bitte.» Ich weiss den genauen Preis nicht mehr. Vielleicht waren es 95 Rappen? Und immer wieder hielten sie mir 100 Franken Scheine hin und wollten damit dieses eine Gipfeli bezahlen. Sie wissen schon, mit den alten bläulichen Scheinen, die vorne den langhaarigen Mann mit dem Schnurbart (Ich habe auf Wikipedia nachgelesen: Es war der Schweizer Architekt Francesco Borromini) und hinten eine Turmspitze drauf hatten. Und regelmässig fragte ich nach: «Haben Sie’s nicht etwas kleiner?». Und immer wieder kam die Antwort: «Leider nöd.»

Und so zählte ich pedantisch das Rückgeld auf den Zahlteller.

Und selbstverständlich (sofern es die Kleingeldsituation in der Kasse zuliess) bedachte ich die Herrschaften mit mehr Münzen, als eigentlich notwendig gewesen wäre.

Die Kartenzahlung hat die Barzahlung abgelöst

Vor 10 Jahren war man noch leicht genervt, wenn der Kunde, der vor einem an der Kasse war, mit der Karte zahlen wollte. Es dauerte einfach unendlich lange, bis die Transaktion abgeschlossen war. Heute geht es glücklicher Weise deutlich schneller und die meisten Kunden im Supermarkt oder im Kaufhaus zahlen bargeldlos.

Nur die älteren Semester, die immer dann zum Einkaufen gehen, wenn die arbeitende Bevölkerung gerade in der Mittagspause zum Einkaufen flitzt, um etwas zu Essen zu kaufen, zahlen immer noch überwiegend bar. Und so führt heutzutage die Aussage der rüstigen Rentnerin mit ihrem Rollator: «Ich glaub, ich habe es passend» bei den Menschen, die an der Kasse hinter ihr stehen, zu ähnlichen Emotionen, wie dereinst die Kartenzahler. Bedachtsam und akribisch legt sie eine Münze nach der anderen auf den Zahlteller, rechnet zusammen und stellt letzten Endes fest, dass es heute leider doch nicht langet.

So ganz am Rand sein noch erwähnt, Zahlteller werden immer noch produziert – auch mit einem viel moderneren Design.

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